10. Januar 2017

Vergleichstests sollen abgeschafft werden

Mit der Schulqualität der Basler Schulen steht es seit Jahren nicht zum Besten. Das zeigt sich immer wieder dann, wenn sich deren Abgänger fürs Medizinstudium anmelden. Gegenüber anderen Kantonen scheitern die Basler Maturanden überdurchschnittlich an der Numerus-clausus-­Hürde. 78 Prozent der Basler rasselten im Jahr 2015 durch, andere Schweizer Studenten nur zu 66 Prozent.
Grossangriff auf die Schul-Checks, Basler Zeitung, 10.1. von Daniel Wahl


Um die Basler Misserfolgsquote zu senken, befahl Regierungsrat Christoph Eymann nicht etwa, die Qualität der Volksschule und damit die Kompetenz der Schüler zu verbessern. Der Regierungsrat riet in der Antwort auf den Vorstoss von Grossrätin Katja Christ (GLP), den Eintrittstest an vorhandenen Originalen zu üben. Ein Trick, ­welcher den Baslern einen Vorsprung verschaffen sollte – aber nur so lange, bis alle anderen Kantonsschulen auch an «vorhandenen Originalen» üben. Klüger wird dabei kein Schüler.
Test üben statt Wissen büffeln
Eymanns Schummeltrick, um besser dazustehen, als man ist, macht Schule. Genau dann, wenn es um die Checks in den Primar- und Sekundarschulen geht, die im Rahmen des Lehrplans 21 in den vier Nordwestschweizer Kantonen eingeführt werden. «Finden Vergleichstests statt, so trainieren viele Lehrpersonen ihre Schützlinge gezielt darauf, um brillieren zu können und gut dazustehen. Andere wichtige Lern­inhalte werden dadurch vernachlässigt. Das war bei den bisherigen Orientierungsarbeiten so und wird auch bei den neuen Checks der Fall sein», sagt Landrat Jürg Wiedemann (Grüne-Unabhängige). Der Lehrer weiss es: An einigen Schulen gab es sogar von Schulleitungen Aufforderungen, die Vergleichstest im Vorfeld zu üben. «Schulleitungen haben ein Interesse daran, dass ihre Schule im Kantonsvergleich gut abschneidet», sagt Wiedemann. Es sind kostbare Unterrichtsstunden, die «zum Test-Üben» verloren gehen.

Auch Basler Schüler müssen glänzen, wenn sie verglichen werden. «Das erwarten die Eltern förmlich von ihren Klassenlehrern. Die Tests sind standardisiert, darum sollen ihre Kinder auf die Schul-Checks vorbereitet werden», erklärt Georg Geiger, Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte am Leonhardsgymnasium. Das Test-Trainingsverhalten akzentuiert sich im besonderen Masse dann, wenn die Checks bei der Bewerbung für eine Lehrstelle eingefordert werden. Darum ist Geiger auch zum Schluss gekommen: «Solche Tests schwächen die Qualität und die Akzeptanz des Schulzeugnisses.» Während ein Check eine Momentaufnahme ist, dokumentiert das Schulzeugnis eine von Pädagogen begleitete Leistungs­periode und sollte deshalb aussage­kräftiger sein.

«Mit dem Unsinn der Checks soll aufgehört werden», das finden alle drei, Landrat Wiedemann, Grossrätin Christ und Lehrer Geiger. Alle haben Vorstösse eingereicht und werden diese einreichen, die entweder die Abschaffung, die Teilabschaffung der Checks oder Alternativen zum Ziel haben. «Die Leistungschecks verschlingen enorme personelle Ressourcen und finanzielle Mittel», argumentiert Wiedemann in seiner Motion, die auf dem Land parteiübergreifend von Grünliberalen, CVP- und SVP-Landräten unterstützt wird. Gemäss Auskunft der Baselbieter Verwaltung betragen die jährlich wiederkehrenden Kosten über eine halbe Million Franken. Die Entwicklung der Checks dürfte den Kanton mehrere Millionen Franken gekostet haben. Die im Baselbiet eingereichte Motion fordert die Reduktion der Checks auf einen einzigen standardisierten Leistungstest auf Sekundarstufe 1. Damit wollen die Politiker immerhin noch am Versprechen festhalten, dass die Volksschule einen Vergleichstest für die Wirtschaft liefert. Die Einführung solcher Tests wurde unter anderem mit dem Argument begründet, der Staat solle die Wirtschaft entlasten, damit diese bei der Anstellung von Lehrlingen auf Aufnahmeprüfungen verzichten könne.
Schulsynode wird befragt
Weiter geht aber Gymnasiallehrer Georg Geiger. «Wenn die Wirtschaft Checks braucht, soll sie sie machen.» Das sei nicht Aufgabe der Volksschule. Auf seinen Antrag hin wird die Abschaffung der Checks an der Jahresversammlung der Lehrersynode in Basel am 22. März diskutiert. Seine Resolution ist unterschrieben von Lehrern aller Schulstufen.
Die Haltung der Schulsynode könnte dann die Reaktion des Erziehungs­departements in Basel entscheidend beeinflussen, wenn sie den Anzug von Grossrätin Katja Christ beantworten muss. Die Politikerin wird ihren Vorstoss demnächst einreichen. Sie fordert die Regierung dazu auf, Alternativen zum Check zu prüfen und darüber zu berichten. Den Ansatz der Checks im Sinne einer Qualitätskontrolle für die Schule hält sie zwar für richtig. Aber so wie sie aufgegleist seien, erreichten sie das Ziel nicht und verfälschten das Resultat. Zudem: «Die Kosten und der personelle Aufwand stehen im Vergleich zum Ergebnis im Ungleichgewicht», sagt die Juristin. Christ ist zuversichtlich, dass ihr Anzug von Vertretern aller Parteien in Basel unterzeichnet werden kann.

Gemäss heutigem Stand sind im Laufe der obligatorischen Schulzeit in der dritten und sechsten Primarklasse (P3 und P6) sowie in der zweiten und dritten Sekundarklasse (S2 und S3) solche Test in den Fächern Deutsch, Mathematik, Französisch, Englisch und Naturwissenschaften vorgesehen. Zu Letzteren zählen Biologie, Chemie und Physik. Mit den Checks werden die ­Orientierungsarbeiten abgelöst.


Die neuen Checks gelten als Instrument des Lehrplans 21, um zu überprüfen, ob die Klassenlehrer die 2304 Kompetenzschritte mit ihren Schülern überhaupt trainieren. Zu kontrollieren, ob die Schule ihre Ziele erreicht, sei auch auf anderem Weg möglich, ist Georg Geiger überzeugt.

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