24. März 2017

Humor kann schwierige Situationen entschärfen

An der grossen Kantonalen Schulkonferenz liessen sich fast 3000 Lehrer erklären, weshalb Humor im Klassenzimmer eine gute Sache ist. Die Humortrainerin Eva Ullmann erzählt uns, welche Witzchen in den Schulunterricht passen und welche weniger.

Eva Ullmann erklärt, warum Humor förderlich fürs Lernen ist, Bild: Alexander Preobrajenski
Diese Frau will Basler Lehrern Humor beibringen, Tageswoche, 23.3. von Matthias Oppliger


 Nur zu leicht geht vergessen, wie viele Lehrerinnen und Lehrer Basel eigentlich hat. Rund 2700 Lehr- und pädagogische Fachpersonen haben sich am Mittwoch in der St. Jakobshalle zur Gesamtkonferenz der Kantonalen Schulkonferenz versammelt. Die Sitzreihen waren besser besetzt als bei so manchem Rockkonzert.

Nach den obligaten Grussworten und Abstimmungen, etwa über die Forderung, die externen Leistungschecks abzuschaffen, begann der unterhaltsame Teil. Mit didaktischen Hintergedanken natürlich, ganz standesgemäss. Auf die Bühne trat Eva Ullmann, Leiterin und Gründerin des Deutschen Instituts für Humor und ausserdem Autorin zahlreicher Sachbücher. Sie wollte den Lehrerinnen und Lehrern näherbringen, weshalb sich Humor ganz ausgezeichnet als «Lernbeschleuniger» eigne. Wir trafen Ullmann in der Pause zu einem kurzen Gespräch über lustige und weniger lustige Lehrer.

Frau Ullmann, als wir in der Redaktion über Humor bei Lehrern gesprochen haben, haben wir uns alle bloss an die etwas peinlichen Witzchen des Französischlehrers erinnert.

Manche Lehrer kommen mit ihrem Humor gut an bei den Kindern. Andere fragen sich vielleicht weniger, ob ihre Spässe in der Klasse auf Gegenliebe stossen. Ich sage zu den Lehrpersonen: «Fragt eure Schüler doch einmal direkt, was sie lustig finden.» Humor im Unterricht lässt sich nicht nebenbei machen, sondern sollte gezielt und überlegt eingesetzt werden.

Geht es beim Humor nicht auch eher um eine bestimmte Haltung statt um Witzchen?

Humor kann auch sein, die Schüler nach der Mittagspause mit einer Bewegungsübung wieder in Schwung zu bringen. Oder beim Chemie-Referat einen Comic einzubauen, einfach um den strengen Unterricht etwas aufzulockern.

Wie bringen Sie dem eingangs erwähnten Französischlehrer bei, dass seine Witzchen nicht ankommen?


Ich ermutigen ihn, einmal genau hinzugucken, ob jemand lacht, wenn er seine Witze reisst. Ich will seinen Blick schärfen. Ist mein Humor konstruktiv oder funktioniert der Witz über die Herabsetzung einer anderen Person? Übrigens finde ich oft auch die Witze über Lehrer etwas unschön. Neulich war ich für einen Workshop in einer Klinik, dort sagte jemand, «Lehrer ist kein Beruf, das ist eine Diagnose.» Ein abwertend aggressiver Humor ist einem offenen Umgang untereinander bestimmt nicht zuträglich.

Sie bezeichnen Humor als einen «Lernbeschleuniger». Wie funktioniert das?


Wenn sich Schüler überhaupt nicht für ein Thema interessieren, kann Humor als eine Art Haken dienen. Die Schüler bleiben hängen, statt dass sie die Stunde teilnahmslos aussitzen. Es gibt ein Dutzend guter Studien, die nachweisen, dass Inhalte, die mit Humor kombiniert werden, länger in Erinnerung bleiben. Humor kann also auch nützlich sein für Lehrkräfte, die sich darüber nerven, die gleichen Zusammenhänge zehnmal erklären zu müssen. Wieso nicht einmal den Satz des Pythagoras zusammen mit den Schülern im Raum physisch aufstellen?

Humor kann also ein didaktisches Mittel sein. Sollten die Kinder in der Schule auch lernen, was guter, konstruktiver Humor ist und was nicht?


Wenn sich der Lehrer darüber ärgert, dass seine Schüler Mario Barth mögen, er aber mehr der Loriot-Typ ist, rate ich zu Gelassenheit. Ich erwarte von einem Pädagogen, dass er unterschiedliche Humor-Niveaus genauso akzeptiert wie unterschiedliche Schülertypen.

Ist es nicht trotzdem die Aufgabe des Lehrers, zu sagen: «Guckt mal, liebe Schüler, rassistische Witze sind jetzt nicht so lustig»?


Eine Lehrperson ist immer auch eine Person mit Werten. Eine Art Vorbild für die verschiedensten Aspekte des Lebens, für soziale Beziehungen. Mir geht es darum, zu schauen, wo sich der Humor dazu eignet, diese Werte zu unterstreichen oder umzusetzen.

Die Kinder sind die eine Zielgruppe der Lehrer. Wie sieht es mit Humor gegenüber den Eltern aus?


Gerade in der Beziehung mit den Eltern kann liebevoller, wertschätzender Humor vieles bewirken. Wenn es der Lehrperson etwa gelingt, in einem Elterngespräch eine gereizte Stimmung zu spüren und diese über eine humorvolle Übertreibung zu benennen, kann das bereits zu einer Entspannung führen und so den weiteren Verlauf des Gesprächs positiv beeinflussen. «Ah, Sie freuen sich schon total auf das Elterngespräch, ich sehe es Ihnen an.» Generell kann Humor dabei helfen, einen Konflikt zu entschärfen.

Zum Beispiel?


Ich hatte diesen Fall einer Gesamtschule, wo die Mädchen sich einen Spass daraus machten, sämtliche Spiegel mit ihren geschminkten Mündern abzuküssen, sodass rote Lippenabdrücke zurückblieben. Die Schulleitung hat nach mehreren erfolglosen Mahnungen die Mädchen in der Toilette versammelt und der Hausmeister hat vor allen den Lappen in die Toilette getaucht und die Spiegel damit abgewischt. Danach hat die Spiegelküsserei sofort aufgehört. Das kann man lustig finden oder nicht, aber es ist auf jeden Fall eine überraschende und zielführende Idee.

Ich würden Ihnen gerne einige Situationen schildern und Sie bitten, diese humorvoll zu entschärfen. Einverstanden?


Klar.

Einem Kind passiert vor der Klasse ein peinliches Missgeschick, die Mitschüler beginnen sich darüber lustig zu machen.


In solchen Situationen ist die positive, heldenhafte Umdeutung recht erfolgreich. Wenn einem Kind ständig etwas runterfällt, dann sagt die Lehrerin beispielsweise: «Sebastian testet gerne die Schwerkraft. Es ist wichtig, dass physikalische Gesetze regelmässig überprüft werden.» Oder auch: «Sebastian ist gut darin, Dinge loszulassen. Viele müssen das erst üben, er kann es einfach so.» Es muss auf jeden Fall darum gehen, das Kind, das grade beschämt ist, in seinem Status anzuheben. So kann sich das Kind entspannen.


Als ich noch zur Schule ging, hatten wir in der 1. Klasse genau ein ausländisches Kind, einen Elsässer. Ich kann mich noch erinnern, dass von uns niemand «neben dem Franzosen» sitzen wollte.


Auch da würde ich wieder über eine Stärkung gehen. Franzosen sind total gut im Flirten und backen gutes Brot, vielleicht kann man sich von ihm also was abschauen. Das kann durchaus auch über Klischees funktionieren, solange die Grundhaltung liebevoll ist.

In der Klasse ergibt sich eine ungute Dynamik, einzelne Kinder werden ständig gehänselt, ausgegrenzt, gemobbt.


Wenn man von Mobbing spricht, ist in der Regel schon viel passiert. Sprich: Die Eskalation hat bereits stattgefunden. Das ist eine Situation, der mit Klarheit und Ernsthaftigkeit begegnet werden sollte. Humor ist zumindest im ersten Moment nicht das geeignete Mittel. Hier kann Spannung rausgenommen werden, indem man die beiden Parteien an Gemeinsamkeiten und schöne gemeinsame Erlebnisse erinnert.


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