18. August 2017

Brauchen Primarlehrer einen Master? Peter Keller sagt nein.

Die halbe Welt beneidet die Schweiz um ihre Berufsausbildung: Dass junge Menschen in den Betrieben den praktischen Bezug zu ihrem Beruf erlernen und begleitend dazu in der Berufsschule und in Fachkursen das theoretische Rüstzeug erhalten. Die Nähe zur Arbeitswelt und das auf verschiedene Begabungen abgestützte duale Berufsbildungssystem ist offensichtlich ein Erfolg: Die Jugendarbeitslosigkeit hierzulande ist viel tiefer als bei unseren Nachbarn in Italien oder Frankreich, wo fast alle Jugendlichen «studieren» und die praxisorientierte Berufslehre unbekannt ist.
"Zu viel wurde und wird in die Lehrpläne gestopft", Basellandschaftliche Zeitung, 17.8. von Peter Keller

Aber ausgerechnet bei den pädagogischen Berufen will man in der Schweiz nun den umgekehrten Weg gehen. Die Lehrerseminare (ich habe 1992 mein Primarlehrerdiplom gemacht) wurden abgeschafft. Heute braucht es eine Matura und ein sechssemestriges Bachelorstudium, um zu unterrichten. Nun wollen die pädagogischen Hochschulen die Ausbildung noch weiter akademisieren: Künftig sollen Lehrpersonen für Kindergärten und Primarschulen einen Masterabschluss (neun Semester Studium) vorweisen. Als ich das Lehrerseminar besuchte, war die Mehrzahl unserer Dozenten gestandene Lehrer mit jahrelanger Berufserfahrung. Um es salopp zu sagen: Sie wussten, wovon sie sprachen. In den pädagogischen Hochschulen unterrichten bald mehrheitlich Dozenten und Professoren, die nie selber in der Schulstube standen – dafür entwickeln sie umso praxisfremdere Ideen und Reformen, die den Studenten und Schulen vorgesetzt werden. Künftige Primarlehrer müssen «wissenschaftliche» Arbeiten schreiben, statt dass man sich darauf konzentriert, dass sie ihr Handwerk lernen. Dazu gehören vor allem auch menschliche Qualitäten und Führungskompetenz.


Es ist schon so, dass das Unterrichten immer anspruchsvoller wird. Aber nicht wenige Probleme sind hausgemacht. Zu viel wurde und wird in die Lehrpläne gestopft. Die «Integration» von behinderten und verhaltensgestörten Kindern in die Regelklassen ist zum Scheitern verurteilt: Sie überfordert Schüler und Lehrer gleichermassen. Nicht wenige Schulreformen, die viel Geld und noch mehr Zeit kosten, werden von praxisfernen Bildungsbürokraten ausgebrütet. Der akademische Ausbau der Lehrerausbildung würde diese Tendenz nur verstärken.

SVP-Nationalrat Peter Keller ist ehemaliger Lehrer

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