Die
halbe Welt beneidet die Schweiz um ihre Berufsausbildung: Dass junge Menschen
in den Betrieben den praktischen Bezug zu ihrem Beruf erlernen und begleitend
dazu in der Berufsschule und in Fachkursen das theoretische Rüstzeug erhalten.
Die Nähe zur Arbeitswelt und das auf verschiedene Begabungen abgestützte duale
Berufsbildungssystem ist offensichtlich ein Erfolg: Die Jugendarbeitslosigkeit
hierzulande ist viel tiefer als bei unseren Nachbarn in Italien oder
Frankreich, wo fast alle Jugendlichen «studieren» und die praxisorientierte
Berufslehre unbekannt ist.
"Zu viel wurde und wird in die Lehrpläne gestopft", Basellandschaftliche Zeitung, 17.8. von Peter Keller
Aber
ausgerechnet bei den pädagogischen Berufen will man in der Schweiz nun den
umgekehrten Weg gehen. Die Lehrerseminare (ich habe 1992 mein
Primarlehrerdiplom gemacht) wurden abgeschafft. Heute braucht es eine Matura
und ein sechssemestriges Bachelorstudium, um zu unterrichten. Nun wollen die
pädagogischen Hochschulen die Ausbildung noch weiter akademisieren: Künftig
sollen Lehrpersonen für Kindergärten und Primarschulen einen Masterabschluss
(neun Semester Studium) vorweisen. Als ich das Lehrerseminar besuchte, war die
Mehrzahl unserer Dozenten gestandene Lehrer mit jahrelanger Berufserfahrung. Um
es salopp zu sagen: Sie wussten, wovon sie sprachen. In den pädagogischen
Hochschulen unterrichten bald mehrheitlich Dozenten und Professoren, die nie
selber in der Schulstube standen – dafür entwickeln sie umso praxisfremdere
Ideen und Reformen, die den Studenten und Schulen vorgesetzt werden. Künftige
Primarlehrer müssen «wissenschaftliche» Arbeiten schreiben, statt dass man sich
darauf konzentriert, dass sie ihr Handwerk lernen. Dazu gehören vor allem auch
menschliche Qualitäten und Führungskompetenz.
Es ist
schon so, dass das Unterrichten immer anspruchsvoller wird. Aber nicht wenige
Probleme sind hausgemacht. Zu viel wurde und wird in die Lehrpläne gestopft.
Die «Integration» von behinderten und verhaltensgestörten Kindern in die
Regelklassen ist zum Scheitern verurteilt: Sie überfordert Schüler und Lehrer
gleichermassen. Nicht wenige Schulreformen, die viel Geld und noch mehr Zeit
kosten, werden von praxisfernen Bildungsbürokraten ausgebrütet. Der akademische
Ausbau der Lehrerausbildung würde diese Tendenz nur verstärken.
SVP-Nationalrat Peter Keller ist ehemaliger Lehrer
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