15. August 2017

Extreme Unterschiede im Bildungsraum Nordwestschweiz

Die strukturelle Harmonisierung der Schulen in den Kantonen Aargau, Baselland, Basel-Stadt und Solothurn ist abgeschlossen: In allen vier Kantonen besteht die obligatorische Schulzeit aus zwei Jahren Kindergarten, sechs Jahren Primarschule und einer dreijährigen Sekundarstufe I mit drei verschiedenen Leistungsniveaus. Ab 2018 wird auch die gymnasiale Ausbildung einheitlich vier Jahre dauern. Dennoch bleiben die Ausbildungsunterschiede gross, wie dies der Bildungsbericht 2017 der vier Nordwestschweizer Kantone aufzeigt. Harmos ist in der Theorie umgesetzt. In der Praxis sind die Kantone weit davon entfernt.
Trotz Harmos sind die Unterschiede geblieben, Basler Zeitung, 14.8. von Thomas Dähler


Schlüsselstelle Sek-Übertritt
Der Bericht hält fest, dass der Übergang von der Primarschule in die Sekundarstufe I eine Schlüsselstelle in der Bildungslaufbahn der Jugendlichen ist, unterscheiden sich doch die späteren beruflichen und schulischen Anschlussmöglichkeiten je nach Schultyp erheblich. In den vier Nordwestschweizer Kantonen sind die Übergangsmodalitäten und Anschlussmöglichkeiten unterschiedlich definiert. Dies zeigt sich auch in der Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die drei Sekundarschulniveaus. Augenfällig ist der Stellenwert des Niveaus mit Grundanforderungen (Niveau A/Realschule/Oberschule): Solothurn 37 Prozent, Baselland 30 Prozent, Basel-Stadt 23 Prozent, Aargau 22 Prozent. Entsprechend verschieden sind auch die Anteile im obersten Leistungszug (Niveau P/Bezirksschule): Basel-Stadt 42 Prozent, Aargau 40 Prozent, Baselland 33 Prozent, Solothurn 21 Prozent.
Die Unterschiede sind extrem; entsprechend gaukeln die einheitlichen Strukturen eine Harmonisierung vor, die in der Praxis keine ist. Der Bericht kommt zum Schluss, dass damit auch die Chancen der Schülerinnen und Schüler unterschiedlich sind. Wenn nur ein geringer prozentualer Anteil im Niveau A mit Grundanforderungen eingeteilt ist, sind die Leistungen tief. Entsprechend wird auch die mögliche Leistungsentwicklung eingeschränkt.
Unterschiedlich geregelt sind in den Kantonen auch die Übertrittsmodalitäten. Ausser den Leistungen stellen Aargau und Solothurn auch auf das Arbeits- und Lernverhalten ab. Für den Leistungsstand zählen in den vier Kantonen zudem nicht die gleichen Fächer. Zusätzlich werden im Baselbiet die Ergebnisse der Checks P6 beigezogen. Aargau, Baselland und Basel-Stadt kennen eine fakultative Übertrittsprüfung.

Die in allen vier Kantonen durchgeführten Leistungschecks zeigen auch auf, dass die Niveau-Einteilung nicht trennscharf ist. Viele Schülerinnen sind zu tief oder zu hoch eingeteilt. Entsprechend gross müsste die Durchlässigkeit sein. Doch die Durchlässigkeit ist unterschiedlich, und tendenziell gibt es sie eher nach unten.

Ein Jahr länger bis zur Matura
Ungleich ist auch der Übertritt ins Gymnasium geregelt. Dieser erfolgt in Solothurn, wie anderswo in der Schweiz üblich, nach der achten Klasse – ins Gymnasium geht dort, wer im obersten Niveau der achten Klasse promoviert wird. In Baselland und Basel-Stadt beginnt das Gymnasium erst nach der dritten Sek; entsprechend dauert die Schulzeit bis zur Matura länger.

Der Bericht zeigt aber auch einheitliche Bildungstendenzen auf. In allen Kantonen bestätigen sich Ungleichheiten nach Geschlecht und nach Nationalität. Buben bleiben bei der Promotion öfter hängen und beanspruchen mehr sonderpädagogische Förderangebote. Ausländer sind – wenig überraschend – in der Sekundarstufe I im Durchschnitt tiefer eingestuft. In allen Kantonen ist inzwischen eine Tendenz zu integrativen Lösungen im Bereich der Sonderpädagogik feststellbar. Ein Vergleich ist aber wegen der unterschiedlichen Angebote kaum möglich.


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