Mit Harmos wollte
Basel-Stadt die Zahl der Gymnasiasten senken. Davon ist man weit entfernt.
Bildungspolitiker fordern nun eine strengere Selektion.
Für die Basler ist nur das Gymnasium gut genug, Basellandschaftliche Zeitung, 13.8. von Leif Simonsen
Am Montag beginnt ein neues Schuljahr, doch im
Basler Bildungswesen bleiben die Probleme. Ein grosser Teil der Schüler drängt
nach der Primarschule in die P-Stufe, die nach drei Jahren zum Übertritt ans
Gymnasium berechtigt. Gleich 44 Prozent besuchen in diesem Jahr die stärkste
der drei Sekundarschulleistungszüge. Im vergangenen Jahr waren es gar 47
Prozent, die ins Niveau P eingestuft wurden. Weit weniger populär sind die
unteren Leistungszüge E und A.
Damit ist das Erziehungsdepartement (ED) weit vom
Ziel entfernt, das es sich vor zwei Jahren im Zug der Bildungsharmonisierung
Harmos und der Umstellung auf das Sekundarschulmodell gesetzt hatte. Die
Volksschulleitung liess im November 2015 in einem Bericht verlauten, dass die
«Schülerinnen und Schüler in der neuen durchlässigen Sekundarschule im
kantonalen Durchschnitt möglichst gleichmässig auf die drei Leistungszüge zu
verteilen sind». Konkret bedeute dies, dass mehr Schüler den neuen A-Zug als
die Weiterbildungsschule (WBS) besuchen sollten.
Heute lässt sich sagen: Der erhoffte Trendwechsel
ist nicht eingetroffen. In Basel gilt offenbar die gymnasiale Schullaufbahn
immer noch als der Königsweg. Die Konsequenz: Viele Lehrstellen bleiben
unbesetzt. Gaby Hintermann, Präsidentin der Kantonalen Schulkonferenz, sagt:
«Wie viele Kinder in den verschiedenen Leistungszügen sind, ist eine wichtige
Diskussion. Auch wir Lehrer müssen uns bei der Einteilung Fragen stellen: Sind
wir vielleicht zu lieb?»
Höhere Anforderungen
gefordert
Dem Erziehungsdepartement ist das Problem bewusst.
Es hat bereits gehandelt. «Wir haben regelmässige Austauschgefässe zwischen
Lehrpersonen der 6. Primarschule und der 1. Sekundarschule zur Frage, ob die
Schülerinnen und Schüler im richtigen Leistungszug sind», sagt ED-Sprecher
Simon Thiriet. Zudem werde das Thema regelmässig in der Volksschulleitung
diskutiert.
Viele Bildungspolitiker verlieren aber allmählich den Glauben daran, dass der sanfte Druck nützt. Oswald Inglin (CVP), Präsident der grossrätlichen Bildungskommission, sagt: «Man muss sich überlegen, etwas an den Anforderungen zu verändern.» Will heissen: höhere erforderliche Notenschnitte für die Einstufung in den P-Zug oder die Aufnahme ins Gymnasium nach der Sekundarschule. Heute reicht nach der Primarschule ein Schnitt von 5,25, um in den leistungsstärksten Zug zu kommen. Eine Durchschnittsnote von 4,5 reicht für den nächsthöheren E-Zug. Sämtliche Schüler des Leistungszugs P, die nach drei Jahren einen genügenden Notenschnitt haben, dürfen ans Gymnasium.
Sensibilisierung statt
Strenge
Grossratspräsident und Bildungskommissionsmitglied
Joël Thüring (SVP) ist zwar der Meinung, dass eine verstärkte «Steuerung» der
Schülerzahlen in den verschiedenen Leistungszügen «unattraktiv», aber möglicherweise
unumgänglich sei. Als Nicht-Akademiker beobachtet Thüring, dass immer noch die
Annahme vorherrsche, die Berufslehre führe in eine Sackgasse. «Das ist
natürlich eine gesellschaftliche Haltung, die nicht so schnell geändert werden
kann», sagt Thüring. Deswegen würde auch er eine «generelle Erhöhung der
Anforderungen» und sogar Aufnahmeprüfungen für das Gymnasium begrüssen.
Währenddem eine strengere Selektion bis ins linke Lager Anhänger finden dürfte,
sind solche Aufnahmeprüfungen «kaum mehrheitsfähig», wie Inglin sagt. Viele
Kinder von Migranten lernten in den Gymnasialjahren richtig Deutsch. Diese
Möglichkeit würde ihnen entzogen, weil sie bereits an der Eintrittsprüfung
scheitern würden, gibt der Christdemokrat zu bedenken.
Auch das ED setzt auf Sensibilisierung der Lehrer
statt auf strengere Selektion. Eine «dezidierte Forderung» zur Veränderung der
Notengebung gäbe es nicht und wäre «in unseren Augen auch nicht legitim», sagt
Thiriet. Dies wäre gleichbedeutend mit einem Eingriff in die Beurteilungshoheit
der Lehrer. Auch eine Quotenregelung sowie eine Aufnahmeprüfung seien «keine
Option». Die Schulen seien jedoch angehalten, das Thema der Beurteilungen
«intensiv» zu diskutieren.
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